Gelungene Inklusion

Woran erkennt man, dass Inklusion gelingt? Ist es nicht gerade das Wesen gelungener Inklusion, dass sie oft unbemerkt bleibt, gerade weil sie so gut funktioniert?

Gelungene Inklusion im schulischen Kontext bedeutet grundsätzlich, dass sich das System Schule den ihr anvertrauten Kindern anpasst und nicht umgekehrt. Es gilt, Unterrichtssettings, Strukturen und Prozesse so zu gestalten, dass alle Kinder, unabhängig von ihren Voraussetzungen und ihrem Entwicklungsstand partizipieren können.

Gerne schildern wir dazu eine Beobachtung aus dem Kindergarten Nord. Es findet sich dort eine Klasse mit grosser Vielfalt: Für mehr als die Hälfte der Kinder dieser Klasse ist Deutsch die Zweitsprache. Verschiedene Nationalitäten, Familienmodelle und Konfessionen treffen aufeinander. Wer einmal den Anfang des Schuljahres in einem Kindergarten erlebt hat, weiss, dass der bei Lehrpersonen beliebte Spruch “Die Schere wird immer grösser” nur die halbe Wahrheit ist. Ich wage im Gegenteil zu behaupten, die Schere ist am Anfang der Schullaufbahn am grössten: Da gibt es Kinder, die schon sehr wortgewandt formulieren und solche, die kein Wort Deutsch verstehen. Es gibt Kinder, die bereits viele Basiserfahrungen sammeln konnten, und solche, die noch nie eine Schere oder einen Leim in der Hand hatten. Es gibt Kinder, die schon selbständig ihre Schuhe anziehen können, und solche, die noch nie einen Reissverschluss auf- oder zugemacht haben. Es gibt Kinder, die Geschichten kennen, und solche, die noch nie in einem Buch geblättert haben und es gibt Kinder, die zeichnen detaillierte Dinosaurier und andere, die halten die Stifte mit dem Faustgriff und sind noch weit entfernt vom Kopffüssler zeichnen. Und für all diese Kinder kommt irgendwann die Adventszeit und ihre Kindergärtnerin ist gefordert, ein Adventssetting bereitzustellen, an welchem jedes Kind teilhaben kann. Dies geschah im Kindergarten Nord so:

Auf einem grossen Leintuch entsteht ein Chlausenhüttli, ein Gemeinschaftswerk aus mehrheitlich Naturmaterialien. Über zwei Wochen hinweg sitzen die Kinder immer wieder gemeinsam um das Tuch und gestalten ihr Chlausenhüttli. Dabei werden für die Futterkrippe Blätter und Stroh geschnitten, Grittibänzen aus Knete geformt und Lebkuchen aus Ton modelliert. Es wird Holz „gespalten“ und unter dem Dach aufgestapelt und winzige Seiten für das Chlausenbuch bekritzelt. Jedes Kind kann sich entsprechend seinen Fähigkeiten, seinem Entwicklungsstand und seinen Interessen einbringen: Einige schneiden langsam und unbeholfen, andere geschickt und schnell. Einige sind sehr eifrig und beflissen, andere schauen zuerst gerne staunend zu. Die Sprache spielt dabei zwar eine wichtige, jedoch keine ausschliessende Rolle, denn durch Vor- und Nachmachen können alle Kinder aktiv teilnehmen und voneinander lernen. Diese individuelle Förderung ermöglicht es jedem Kind, sich auf seine Weise einzubringen und Teil der Gemeinschaft zu sein. Bei dieser Arbeit geht es nicht darum, wer das schönste Werk kreiert, sondern dass alle gemeinsam an einem grossen Gemeinschaftswerk mitarbeiten und dazu gehören. Diese Erfahrung stärkt das Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Selbstwirksamkeit bei den Kindern.

Wie man auf dem Bild sehen kann, sind ganz individuelle Grittibänzen entstanden – eine Vielfalt von kreativen, einzigartigen Kreationen. Diese Vielfalt spiegelt die unterschiedlichen Fähigkeiten und Ideen der Kinder wider und zeigt, wie gelungene Inklusion in der Praxis aussehen kann.


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